Die Sonne stahlt. Es ist vermutlich einer der letzten hellen, warmen Tage des Jahres. Dennoch begebe ich mich auf das Kraftwerksgelände und trete durch das riesige, eiserne Tor in die Dunkelheit. Begrüßt werde ich von hohen Decken mit alten Rohren, bunten Neonlichtern und dem absolut widersprüchlichem, wohligen Duft nach heißer Brühe.
Die Berlin Food Week ist in das ehemalige Heizkraftwerk in Berlin Mitte eingezogen. Zwischen kargen Säulen und nackten Betonwänden stehen liebevoll eingedeckte Tische und an den Wänden reihen sich die Stände, die mit verschiedensten Leckereien locken. Es tummeln sich Fernsehköche, neben hippen Restaurants und Foodtruck-Betreiberinnen oder auch einem Koch, der die Sterneküche aufgab um in einer Waldorfschule Kinder zu bekochen und seine neu gefundene Freizeit nutzt um mit seiner Tochter vegane Sommerrollen auf der Berlin Food Week anzubieten.
In den breiten Gängen, vor den Ständen und zwischen den Tischen, streunern die Besucher umher, mit ihren frisch erworbenen Schätzen stilecht verstaut in Jutebeutel und hip designter Papiertasche. Ein besonders cooler Beutel zeigt einen überdimensionalen Bären, der den Fernsehturm bestiegen hat und dabei ist die abgebrochene Spitze zu vertilgen. Über der Grafik, in kantigen Lettern prangt: „EAT BERLIN OR BERLIN EATS YOU“, was wiederum meinen ‚Wo-ist-das-her?-Ich-muss-das-haben-Automotismus‘ antriggert. Ich werde fündig in einem kleineren Nebenraum und entdecke somit auch das eigentliche Highlight dieser Hallen.
Auch im „Spät Deluxe“ reiht sich Stand an Stand. Jedoch viel enger, viel wuseliger, viel bunter und viel verlockender. Denn jeder Stand, wirklich jeder, bietet Kostproben an. Von bunter Kresse über Meerjungfrauen-Rum über Trocken-Smoothies, Chili-Soßen, Schinkenstückchen, Chai Tees, Senfsoßen (das waren dann die mit der coolen Bären-Tasche) bis hin zu Schnäpsen, die wie Honig aussehen und Schokolade die unfassbar zart auf der Zunge zerschmilzt, und dabei so intensiv ist, als hätte man eine Kakao-Plantage in seinem Mund zum Leben erweckt. Zwischen den vielen kleine Food-Start-ups finden sich einige online Warenhäuser für den allgemeine Foodie-Bedarf und vor allem Koch-Boxen. Wer dachte es gibt nur „Hello Fresh“ irrt gewaltig. Ich würde gerne aufzählen welche vertreten waren und wie viele es waren, aber das gibt meine Erinnerung leider nicht her. Es war einfach ein Koch-Boxen-Overkill. Versteht mich nicht falsch, alle Stände waren liebevoll dekoriert und die Produkte sahen sehr ansprechend aus, aber ich kam nicht umhin mich zu fragen ob es wirklich so einen großen Bedarf gibt, dass sie sich alle halten können. Aber nicht nur das, ich war einfach abgelenkt von den vielen Eindrücken der anderen Stände.
Mit Leidenschaft wurden Lebensmittel angeboten, Konzepte erklärt und Geschichten erzählt. Ich hatte mir zwar fest vorgenommen mich zurück zu halten, doch bei soviel Liebe zu Genuss, der dort verbreitet wurde, landeten sodann auch einige Leckereien in meinem Food-Week-Jagdtrophäen-Jutebeutel. Meine persönlichen Highlights: ein französischer Honig mit Trüffel (ja, ich weiß, das Zeug ist scheiße teuer und auch ein bisschen elitär, aber ich liebe es einfach), der phänomenal gut auf gratiniertem Ziegenkäse oder im Kürbis-Risotto schmeckt, und eine von sehr vielen Gewürzmischungen von Just Spices. In diesem Fall für Haferflocken. Mit Mandeln, Kokosnuss, Zimt, Vanille und Kakao. Mit einem Klecks Honig dazu, jetzt mein Lieblingsfrühstück.
Und, würde ich nochmal einen sonnigen Tag opfern, um in einer dunklen Halle meiner Foodie-Lust zu frönen. Ich würde nicht nur ich habe sogar. Eigentlich war nur ein Tag eingeplant für den Besuch. Was soll ich sagen? Hat nicht gereicht. War zu lecker.